Dysbiose vs. SIBO

Tatort Darm


 

Der Darm ist ein wahres Wunderwerk; das Tor zur Gesundheit, das weit mehr leistet als nur die Verdauung. Als größte Abwehrfront des Körpers und wichtigste Kontaktfläche zur Außenwelt hat er einen immensen Einfluss auf das Wohlbefinden unserer Hunde. Seine komplexe Funktionsweise unterstützt das Immunsystem, produziert essenzielle Botenstoffe, die das emotionale Befinden regulieren, und schützt den Körper vor schädlichen Einflüssen. Ein gesunder Darm ist daher nicht nur die Grundlage für ein starkes Immunsystem, sondern auch entscheidend für die Gesundheit und das Wohlbefinden deines Hundes.

 

 

Von Eubiose zu Dysbiose

 

Die Voraussetzung für eine gute Nährstoffaufnahme und Verteidigungskraft ist eine stabile und ausgewogene Darmflora auch Mikrobiom genannt. Hier wohnen Milliarden von Bakterien, Viren, Pilzen und Protozoen zusammen in einem fein abgestimmten Gleichgewicht. Im Idealfall leben diese Mikroorganismen in perfekter Harmonie, einer sogenannten Eubiose (ausgewogenes Verhältnis). Gerät aber dieses empfindsame „Ökosystem“ ins Wanken und die sogenannten „schlechten“ Bakterien übernehmen die Oberhand, spricht man von einer Dysbiose.

In diesem Zustand kippt das fragile Ökosystem des Darms – die Verdauung wird gestört, das Wohlbefinden leidet, und das Immunsystem läuft auf Hochtouren. Es entstehen Nährböden für Entzündungen und Infektionen, während die „guten“ schützenden Bakterien ihre Arbeit nicht mehr ausreichend leisten können, da sie auch nicht mehr ausreichend vorhanden sind. Da sie für den Schutz der Darmschleimhaut, Krankheitserreger abwehren und Entzündungen verhindern, entsteht ein schwerwiegendes Problem, was zeitgleich weit über den Darm hinausgeht.

 

Physiologie: Dünndarm

 

Der Darm besteht aus mehreren Abschnitten, die jeweils eine entscheidende Funktion erfüllen. Im Dünndarm findet in erster Linie der Hauptteil der Verdauung und die Resorption von Nährstoffen statt. Hier werden Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate durch spezielle Verdauungsenzyme, die von der Darmwand und der Bauchspeicheldrüse freigesetzt werden, in ihre kleinsten Bausteine zerlegt. Diese Nährstoffe, wie Aminosäuren, Fettsäuren und Glukose, werden anschließend über die Dünndarmwand in den Blutkreislauf aufgenommen, um dem Körper als Energiequelle und Baumaterial zur Verfügung zu stehen.

Zusätzlich zu den Hauptnährstoffen werden im Dünndarm auch Vitamine, Mineralstoffe und Wasser effizient resorbiert. Im Vergleich zum Dickdarm ist der Dünndarm jedoch relativ spärlich mit Bakterien besiedelt. Diese geringe Besiedelung hat mehrere Gründe, unter anderem den pH-Wert des Dünndarms, der durch die Verdauungssäfte eher alkalisch ist.

Zudem wird die bakterielle Population durch die schnelle Passage der Nahrung sowie durch enzymatische und immunologische Abwehrmechanismen in Schach gehalten. Die kontrollierte Anzahl an Mikroorganismen im Dünndarm trägt dazu bei, dass die Verdauung reibungslos ablaufen kann ohne dass schädliche Bakterien überhandnehmen und die Nährstoffaufnahme stören.

 

 

Physiologie: Dickdarm

 

Der Dünndarm geht in den sogenannten Dickdarm über, der andere wichtige Aufgaben erfüllt. Eine der primären Funktionen des Dickdarms ist die Rückgewinnung von Wasser und Elektrolyten aus dem Nahrungsbrei, der aus dem Dünndarm kommt. Dieser Prozess trägt dazu bei, den Kot einzudicken und den Wasserhaushalt im Körper des Hundes zu regulieren. Ohne diese Funktion würde der Hund unter starkem Flüssigkeitsverlust leiden.

Der Dickdarm ist der Teil des Darms, der am stärksten von Bakterien besiedelt ist. Unverdauliche Nahrungsbestandteile, die vom Dünndarm nicht resorbiert wurden, wie die sogenannten Ballaststoffe, finden hier ihren Nutzen. Bei diesem Prozess entstehen kurzkettige Fettsäuren (SCFA) wie Acetat, Propionat und Butyrat, die für die Gesundheit des Hundes essenziell sind. SCFA dienen als Energiequelle für die Zellen der Darmschleimhaut (Kolonozyten) und unterstützen deren Regeneration und Erhalt. Besonders wichtig ist Butyrat, da es die Darmschleimhaut stärkt und entzündungshemmend wirkt.

Die Bakterien im Dickdarm und die von ihnen produzierten SCFA fördern die Bildung einer schützenden Schleimschicht auf der Darmschleimhaut. Diese Barriere verhindert, dass schädliche Bakterien und Toxine in den Körper eindringen. Da ein Großteil des Immunsystems im Darm angesiedelt ist, tragen die SCFA zur Immunregulation bei und helfen, Entzündungen zu kontrollieren.

Durch die Produktion von SCFA wird das Milieu im Dickdarm leicht sauer, was das Wachstum nützlicher Bakterien fördert und schädliche Bakterien hemmt. Ein ausgewogener pH-Wert ist entscheidend für eine gesunde Darmflora, die wiederum die Verdauung unterstützt und den Hund vor Verdauungsstörungen schützt.

Im eubiotischen Zustand ist das Mikrobiom des Dickdarms in der Lage, die Vitamine der B-Gruppe und Vitamin K2 zu synthetisieren, die über die Darmschleimhaut aufgenommen werden. Zudem helfen die Mikroorganismen, schädliche Substanzen und Giftstoffe abzubauen, bevor sie den Körper belasten können.

 

 

SIBO: Wenn der Dünndarm zur Bakterienfalle wird

 

Eine spezifische Form der Dysbiose ist die SIBO, die Abkürzung für „small intestinal bacterial overgrowth“. Die meisten dieser Bakterien fühlen sich im Dickdarm wohl, während der Dünndarm normalerweise eher gering besiedelt ist. Kommt es jedoch zu einer übermäßigen Ansiedlung von Bakterien im Dünndarm, einem Bereich, der normalerweise weniger Mikroben beherbergt, spricht man von SIBO – einer Überwucherung, die erhebliche Folgen haben kann.

Wie die Dysbiose im Dickdarm kann auch die SIBO zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen, da die schädlichen Bakterien nicht nur die Verdauung stören, sondern auch Giftstoffe produzieren, die in den Blutkreislauf gelangen können. Diese schädlichen Bakterien bilden im Dünndarm einen Biofilm, der die empfindliche Darmschleimhaut angreifen kann. Dies bringt das Immunsystem an seine Grenzen, da sich ein Großteil der Immunzellen in der Darmschleimhaut befindet. Zusätzlich verstoffwechseln diese schädlichen Bakterien die Nahrung deines Hundes und setzen dabei Wasserstoff, Ammoniak und Methangas frei. Dies kann zu dauerhaften Reizungen und Entzündungen der Darmschleimhaut führen, die chronisch werden können. Folgende Probleme treten bei einer Sibo im Dünndarm auf:

 

Störung der Nährstoffaufnahme:

Der Dünndarm ist der Hauptort der Nährstoffaufnahme im Körper. Bei SIBO vermehren sich die Bakterien unkontrolliert und beginnen, die Nährstoffe aus der Nahrung des Hundes zu "stehlen" bevor der Körper sie aufnehmen kann. Dies führt zu Malabsorption, was bedeutet, dass essentielle Vitamine, Mineralien und andere Nährstoffe nicht richtig aufgenommen werden. Die Folgen können Gewichtsverlust, Wachstumsstörungen (besonders bei jungen Hunden) und Mangelerscheinungen sein.

 

Produktion von Toxinen und Gasen:

Die Bakterien im Dünndarm produzieren Stoffwechselprodukte wie Wasserstoff, Methan und andere Gase, die zu Blähungen, Bauchschmerzen und chronischen Verdauungsproblemen führen. Diese Gase und die dabei entstehenden Toxine können die Darmschleimhaut schädigen und zu einer Reizung oder Entzündung führen. Dies erhöht das Risiko für ein Leaky-Gut-Syndrom, bei dem die Darmbarriere durchlässig wird und schädliche Stoffe in den Blutkreislauf gelangen.

 

Belastung des Immunsystems:

Ein Großteil des Immunsystems sitzt in der Darmschleimhaut. Bei SIBO wird die Darmschleimhaut durch die schädlichen Bakterien und deren Stoffwechselprodukte kontinuierlich gereizt, was zu einer chronischen Immunaktivierung führt. Das Immunsystem gerät unter Dauerstress, was die Abwehrkräfte schwächt und das Risiko für Autoimmunerkrankungen, Allergien und andere chronische Krankheiten erhöht.

 

Chronische Entzündungen und Reizungen:

Die schädlichen Bakterien können einen Biofilm bilden, der die Schleimhaut angreift und schädigt. Diese chronischen Entzündungen beeinträchtigen die Darmgesundheit langfristig und können zu einem Teufelskreis führen, in dem die Darmschleimhaut immer weiter geschädigt wird.

 

Verschlechterung anderer gesundheitlicher Probleme:

SIBO kann bestehende gesundheitliche Probleme wie IBD (inflammatorische Darmerkrankung), Bauchspeicheldrüsenentzündungen oder Futtermittelunverträglichkeiten verschlimmern, da die zusätzliche Belastung durch die Überwucherung den gesamten Verdauungstrakt beeinträchtigt.

 

 

Ursachen

 

Eine Dysbiose oder SIBO entsteht, wenn das fein abgestimmte Gleichgewicht der Darmflora gestört wird. Dieses empfindliche System, bestehend aus nützlichen, neutralen und schädlichen Bakterien, kann durch verschiedene Faktoren aus dem Gleichgewicht gebracht werden, was zu einem Ungleichgewicht und einer Vermehrung unerwünschter Bakterien führt. Die Auslöser sind vielfältig und betreffen sowohl äußere Einflüsse als auch innere Prozesse im Körper des Hundes.

Hauptauslöser für eine Dysbiose oder SIBO sind:

 

Ungesunde Ernährung:
Eine Ernährung, die reich an verarbeiteten Lebensmitteln, Zucker und wenig Ballaststoffen ist, kann das Wachstum schädlicher Bakterien fördern, während nützliche Bakterien verhungern. Ein Übermaß an schwer verdaulichen Kohlenhydraten oder eine proteinreiche Ernährung ohne ausreichende Ballaststoffe kann das Darmmilieu negativ beeinflussen und das Wachstum ungünstiger Bakterien begünstigen.

 

Antibiotika und andere Medikamente:
Antibiotika greifen nicht nur schädliche Keime an, sondern zerstören auch viele der nützlichen Bakterien im Darm. Dadurch können sich resistente und schädliche Bakterien unkontrolliert vermehren. Auch andere Medikamente wie Kortikosteroide, Entzündungshemmer oder Magensäureblocker können die Darmflora schädigen und das Risiko für SIBO und Dysbiose erhöhen.

 

Stress:
Chronischer Stress beeinträchtigt die Darmgesundheit erheblich, da er die Produktion von Magensäure und Verdauungsenzymen reduziert und die Darmbewegung (Motilität) stört. Stress kann die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut erhöhen und die Freisetzung von Entzündungsmediatoren fördern, was schädlichen Bakterien den Nährboden bietet.

 

Bewegungsmangel:
Körperliche Aktivität fördert die Darmbewegung und damit die normale Passage des Darminhalts. Bei Hunden, die wenig Bewegung haben, wird die Darmmotilität reduziert, was zu einer längeren Verweildauer des Nahrungsbreis im Dünndarm führen kann und schädlichen Bakterien mehr Zeit gibt, sich zu vermehren.

 

Erkrankungen und Immunschwäche:
Chronische Erkrankungen wie Diabetes, Pankreatitis oder eine eingeschränkte Leberfunktion können die Darmflora stören und die Abwehrkräfte des Darms schwächen. Ein geschwächtes Immunsystem ist weniger in der Lage, schädliche Bakterien in Schach zu halten, was eine Dysbiose begünstigt.

 

Hormonelle Störungen:
Hormonelle Veränderungen, wie sie durch Schilddrüsenerkrankungen oder den Einsatz von Hormonen (z. B. Kortison) verursacht werden, beeinflussen die Darmfunktion und das Mikrobiom. Diese Veränderungen können die Darmbeweglichkeit und die Verdauung beeinträchtigen und das Wachstum schädlicher Bakterien fördern.

 

Umweltfaktoren und Toxine:
Chemikalien, Pestizide, Umweltgifte und sogar Konservierungsstoffe in Futtermitteln können die Darmflora stören. Sie wirken toxisch auf die nützlichen Bakterien und schwächen die natürliche Abwehr des Darms, wodurch schädliche Keime die Oberhand gewinnen.

 

Alter und genetische Veranlagung:
Mit zunehmendem Alter verändert sich die Zusammensetzung der Darmflora. Ältere Hunde haben oft eine weniger vielfältige Darmflora, was das Risiko für eine Dysbiose erhöht. Auch genetische Faktoren können dazu führen, dass manche Hunde anfälliger für SIBO und Dysbiose sind als andere.

 

Störungen der Darmmotilität:
Eine verzögerte Darmbewegung, oft als Folge von Stress, einer fettreichen Ernährung oder bestimmten Erkrankungen, kann dazu führen, dass der Nahrungsbrei zu lange im Dünndarm verbleibt. Dies bietet Bakterien die Möglichkeit, sich übermäßig zu vermehren und die Darmgesundheit negativ zu beeinflussen.

 

 

Symptome

 

Die Symptome einer Dysbiose oder SIBO können vielfältig sein und sich auf unterschiedliche Weise äußern. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:

 

  • Sodbrennen
  • Erbrechen
  • Chronischer Durchfall
  • Blähungen und Bauchschmerzen
  • Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder -Allergien
  • Übermäßiger Appetit
  • Gewichtsverlust
  • Haut- und Fellprobleme
  • Leaky Gut-Syndrom
  • Inflammatory Bowel Disease (IBD)
  • Autoimmunerkrankungen

 

Es ist wichtig zu beachten, dass Symptome wie Bauchschmerzen, Durchfall und allgemeine Verdauungsstörungen auch bei anderen Erkrankungen wie IBD, Bauchspeicheldrüsenentzündungen oder Gallensäureverlustsyndrom auftreten können. Diese Überlappung kann die Diagnose und Behandlung erheblich erschweren.

 

Folgen

 

Rund 80 % aller Immunreaktionen finden im Darm statt, was ihn zu einem der wichtigsten Akteure im Immunsystem macht, er beherbergt auch ein dichtes Netz an Immunzellen, die ständig mit der Umgebung kommunizieren und auf potenzielle Bedrohungen reagieren. Diese Immunzellen befinden sich überwiegend in der Darmwand und den sogenannten Peyer-Plaques, lymphatischen Geweben, die wie kleine Wachposten agieren. Bleibt eine Dysbakterie über längere Zeit bestehen, kann dies die Darmschleimhaut schädigen. Die toxischen Stoffwechselprodukte und Gifte der Bakterien gelangen dadurch leichter in den Körper und belasten das Immunsystem. Die Folgen eines gestörten Darmmilieus sind weitreichend.

 

Fazit

 

Der Darm ist ein immunologisches Kraftwerk, das den gesamten Körper schützt und reguliert. Dieses komplexe System ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck, da jeder Hund ein individuelles Mikrobiom besitzt. Die Grundlage einer gesunden Darmfunktion bildet eine abwechslungsreiche und ballaststoffreiche Ernährung. Vielen ist nicht bewusst, dass die Darmbakterien von dem leben, was über die Nahrung in den Darm gelangt. Ballaststoffe sind essenziell, denn ohne sie verkümmern die nützlichen Bakterien. Durch eine gezielte Ernährung kann das Mikrobiom moduliert, gestärkt und gepflegt werden. Die Zusammensetzung des Futters spielt daher eine entscheidende Rolle: Je natürlicher, gesünder und ballaststoffreicher die Ernährung, desto vielfältiger und robuster ist das Mikrobiom, was letztlich die Gesundheit und das Wohlbefinden des Hundes unterstützt.